Ein Prosit der Gemütlichkeit – Der Mythos hinter dem Klassiker

Es ist bekannt als der ewige Wiesn-Hit. Kein Song wird auf dem Oktoberfest so oft und so regelmäßig gespielt wie das „Prosit der Gemütlichkeit“. Und das schon seit Jahrzehnten. Man ist sich sicher: hier handelt es sich um die musikalische Personifikation des bayerischen Lebensgefühls. Im Gegensatz behaupten böse Zungen immer wieder, es müsse eigentlich ein „Profit“ der Gemütlichkeit heißen. Schließlich kurbelt das Lied nicht nur die Stimmung, sondern eben auch den Bierkonsum ordentlich an.

Durchschnittlich drei bis vier Mal wird der Trinkspruch pro Stunde in einem der Festzelte auf dem Oktoberfest gespielt. Vormittags seltener, abends häufiger und je nach Zelt unterschiedlich. Fest steht aber: Ertönt die vertraute Melodie greift nahezu das ganze Zelt zum Maßkrug. Im Durchschnitt fassen die großen Bierzelte inklusive ihrer Biergärten 7000 feierwütige Besucher. Ein Schluck umfasst 30 bis 40 Milliliter je nach Trinker und vor allem Geschlecht desselbigen. Geht man nun davon aus, dass das gesamte Bierzelt beim Prosit-Ritual mitmacht und dabei einen Schluck trinkt, rinnen pro „Prosit“ 280 Liter die Kehlen runter. Damit wird bei einem Preis von 11,5€ Bier im Wert von 3220€ getrunken. In einer Stunde bringt das Trinklied den Kassen der Wirte also gut und gerne einmal knapp 10.000€ Umsatz. Natürlich ist diese Rechnung stark vereinfacht, im Mittelwert stimmt sie allerdings. Zwar trinken einige Gäste nichts oder nur alkoholische Getränke, andere blicken dafür pro „Prosit“ tiefer ins Glas und machen den entgangenen Konsum so wieder wett. Wirte und Kapellen beharren weiterhin, dass es keine Absprachen gibt, wie oft das Lied pro Tag angestimmt werden soll und muss. Fest steht aber, dass das „Prosit der Gemütlichkeit“ sich finanziell durchaus lohnt. In der Apotheke würde man jetzt sagen, es kann Absatzsteigerung auslösen.

Angesichts der integralen Verwurzelung des Songs im Oktoberfest-Leben ist es umso verwunderlicher, woher der Gassenhauer stammt. Komponist war keinesfalls ein bärtiger Hutträger, der in seiner Lederhose das Prädikat „bayerisch“ für alle sichtbar nach Außen trug, eigentlich hat es seinen Ursprung in Sachsen. Das Trinklied kam ursprünglich aus Chemnitz, wo es der Musiker und Chorleiter Bernhard Dittrich Ende des 19. Jahrhunderts komponierte. Georg Lang, Wirt aus Nürnberg, etablierte das Lied wenig später auf der Wiesn.

Das stört im Bierzelt keinen. Auch das absatzsteigernde Potential wird geflissentlich ignoriert. Auf dem Oktoberfest wird gefeiert und getrunken… zu welchem Lied ist eigentlich egal. Und das ist auch gut so!